Mittwoch, 17. Oktober 2018

Luft holen in Buenos Aires



Quietschende Reifen. Ein kräftiger Ruck. Ich sah das Taxi, in dem ich saß, noch direkt auf das andere Auto auf der Kreuzung zurasen, welches über eine rote Ampel gerauscht war. So begann mein erster Tag in Buenos Aires. Zum Glück nur mit einem Blechschaden und einem Schreck. Generell reichte mir die Stadt nach kurzer Zeit. Zu viele Menschen, zu viel Hektik, zu viel Party… Ich brauchte Ruhe und Zeit für mich. Das Schlafen in Hostels und das ständige Reden müssen wollte ich gerade nicht mehr. Ich sehnte mich nach Routine, einem eigenen Zimmer und der Natur. Da war ich wohl am falschen Platz. Ich fand ein Yoga-Zentrum mitten im Grünen nicht weit von der Großstadt entfernt. Eine Woche lebte ich dort bei einer argentinischen Familie, die das Zentrum betreibt. 

Fast alles, was sie zum Leben brauchen, produzieren sie selbst. Sie bewirtschaften weite Felder und haben zahlreiche Tiere, wie z.B. Pferde, Lamas, Hühner und sogar Bienen zur Honigproduktion. Sie leben nach dem Konzept der Permakultur, das auf ein nachhaltiges Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen abzielt. Man könnte es als eine Art sich selbst erhaltendes und selbstregulierendes Ökosystem beschreiben. Es geht nicht nur darum einen Ertrag von der Natur zu erzielen, sondern auf die Bedürfnisse des gesamten Systems Rücksicht zu nehmen und im Gleichgewicht mit der Natur zu leben. Ich war fasziniert von diesem Ort und fühlte mich gleich wohl. Eine Woche lang lebte ich hier ohne Kontakt zur Außenwelt. Ich hatte alles, was ich zum Leben brauchte. Die Tage verbrachte ich mit viel Yoga, Tanz, Meditation und Nichtstun. Meist saß ich an dem mit zahlreichen Blumen geschmückten Teich und bestaunte den Pfau, der mit seinem riesigen Federkleid zwischen den Bäumen hindurch über die Wiese tanzte.
  

Den durchgehenden Muskelkater hatte ich vor allem dem Ashtanga-Yoga zu verdanken… 1,5 Stunden Yoga ohne Pause. Bei dieser Form des Yoga gibt es festgelegte Bewegungsabläufe, welche mit dem Atem synchronisiert werden. Bei manchen Positionen war man so verknotet, dass man kaum noch wusste, was Arme oder Beine sind. :)

Auch die Häuser hat die Familie aus Naturmaterialien selbst gebaut. Jeder Raum ist einzigartig und kreativ gestaltet. Die Wände sind aus Holz und Lehm und alte bunte Flaschen sowie gebogenes Glas dienen als Fenster. Teilweise wachsen selbst Bäume durch die Räume hindurch, sodass man sich selbst in den Häusern wie draußen in der Natur fühlt.  

Das Essen war mehr als gesund und vegetarisch. Es gab Fruchtsäfte, Salat, Gemüse-Kuchen, Gemüse-Suppe, Gemüse-Bouletten und die typisch argentinischen Empanadas – (mit Gemüse) gefüllte Teigtaschen. Ebenfalls typisch für Argentinien ist der Mate-Tee, den wir an den Nachmittagen tranken. Ein mit Sherpa-Mate und anderen Kräutern bis zum Rand gefüllter Becher wird mit heißem Wasser aufgegossen und dann über einen breiten Metall-Trinkhalm getrunken. So wird der Becher von einer zur nächsten Person weitergereicht.
Empanadas

Natürlich nahm ich auch ein wenig Kultur der Großstadt Buenos Aires mit. Mit Hannah aus dem Hostel schaute ich mir eine der vielen berühmten Tango-Shows an mit Tanzstunde und 3-Gängemenü. So schick war ich in meiner gesamten Reisezeit nicht ausgegangen. Die Paare wirbelten mit einer Eleganz über die Bühne, tanzten ganze Geschichten und schwangen die Beine in hohen Bögen über die Köpfe derer Tanzpartner. Der perfekte Abend für Hannahs Geburtstag. Nur als Vegetarier wird man in Argentinien einige Probleme bekommen bei dem Fleischkonsum der Argentinier. Steak ist in jedem Restaurant ganz oben auf der Speisekarte.

Nicht weit von Buenos Aires entfernt machte ich noch mit der Fähre einen Abstecher nach Colonia, der ältesten Stadt Uruguays. Ich schlenderte durch die schmalen, grob gepflasterten Gassen der kleinen zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Altstadt. Sie liegt direkt am Rio de la Plata, einem Fluss, der durch seine Breite (mit bis zu 220 km am Mündungstrichter) eher an ein Meer erinnert. Noch heute kann man die vielen verschiedenen Baustile der Stadt durch die wechselreiche kriegerische Vergangenheit sehen. Kleine Steinhäuser reihen sich dicht aneinander, alte Wägen aus Holz verschönern die Gassen und die vielen alternativen kunstvollen Geschäfte hauchen der von viel Grün umgebenen Stadt Leben ein.  

Mit dicken Wintersachen im Gepäck starte ich nun in den nahezu letzten Abschnitt meiner Reise. Es geht nach Ushuaia, der mit am südlichst gelegenen Stadt der Welt.

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