Stille… Wie fühlt es sich an, wenn ein Lebenstraum in
Erfüllung geht? Ich glaube, in solchen Momenten ist man sprachlos vor Glück. Es
war wie eine Reise zu einem fremden Planeten in einer unbekannten Zeit – als
wäre man völlig losgelöst von allem. Kein Mensch. Keine Zivilisation. Nichts. Nur
im Meer treibende Eisberge umgeben von einer eisigen Landschaft mit steilen Gletschern,
hohen Bergen und einer atemberaubenden Tierwelt. Und in mitten all dem unser
winziges Schiff, dass im Hafen in Ushuaia noch so riesig wirkte. Doch hier
herrschen andere Dimensionen. Alles ist größer, gewaltiger und irgendwie
surreal.
Tag 1
0 Grad. Ich trug wirklich alles, was mein Rucksack hergab.
Mit unzählige Schichten Kleidung, schweren Schneeschuhen und Rettungsweste
konnte ich mich anfangs kaum bewegen. Das Eis reflektierte so hell, dass man
die Augen ohne Sonnenbrille kaum offen halten konnte. Die steile Gangway des
Schiffes hinabgehend gelangte man zu massiven Schlauchbooten, auch Zodiacs
genannt. Blau-weißen Eisschollen ausweichend rauschten wir über die Wellen bei 'Orne
Harbour' und bestaunten die gigantischen farbenreichen Eisberge und steilen
Gletscher am Rande hoher schneebedeckter dunkler Berge. Schneelawinen türmten
sich weit oben zwischen den Spitzen, welche jeden Moment zu brechen drohten.
Ich konnte noch gar nicht realisieren, wo ich da gerade war. Am Abend riss uns
eine Durchsage aus dem Schlaf. Es wurden Buckelwale gesichtet. Die bereits
untergegangene Sonne färbte den Himmel noch immer leicht rosa. Unter dem Schiff
hindurchtauchend kam ein Wal wasserspritzend an der Oberfläche zum Vorschein und
verabschiedete sich mit einem Schwanzflossenschlag Richtung Horizont.
Tag 2
Ruhe. Kein Wind. Keine Welle. Glasklar spiegelten sich
unzählige Eisberge und Eisschollen im Wasser. Nur das Motorengeräusch des
Schiffes brach diese Stille. Mit den Zodiacs setzten wir über zur chilenischen
Basis der Antarktis. Und da war er: Der Moment, an dem ich das erste Mal meinen
Fuß auf den 7. Kontinent setzte. Ich legte mein Rettungsweste ab und warf mich so
wie ich war in den Schnee. Die gesamte Gegend war übersäht mit Gentoo-Pinguinen,
die im Wasser Eisschollen erklommen, über schmale Wege (sog. Pinguin-Highways)
durch den Schnee watschelten, eifrig Nester bauten und uns neugierig
betrachteten. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus… über die Pinguine, die aufgebrochenen Seen,
die weiten Gletscherhänge, die schwarzen mit Schneemassen bedeckten Berge sowie
über den grauen und doch so hellen Himmel, der die Farben im Eis noch mehr
erstrahlen ließ.
Tag 3
Es geht hoch hinaus. Mit Eisaxt, Gurt, Wanderstöcken und
Schneeschuhen ausgestattet brachen wir an der Brown Station zum Mountaineering
auf. Dicke Flocken fielen vom Himmel und bedeckten die gesamte Landschaft unter
einer dicken Schneeschicht. Mit jedem Höhenmeter wurde der Anblick
atemberaubender. Wir kletterten mit Hilfe von Eisäxten auf die schwarze
Bergspitze. Hier stand ich nun – mit Martin, einem Bergsteiger, welcher bereits
den Everest erklommen hat. An Seilen aneinander geknotet liefen wir weiter über
einen unbefestigten Schneehang zwischen den Bergen. Rein gar nichts war zu
sehen, außer ein Meer von Weiß und die Fußspuren, die wir im Schnee
hinterließen. Stille. Keiner sprach. Keiner fotografierte. Wir blickten eine
Weile einfach nur auf die dunkle mit Eisschollen bedeckte Bucht, die sich vor
uns auftat – überwältigt von diesem Anblick.
-1 Grad. Zeit für den Polar Plunge! Das heißt: Nicht lang
nachdenken, sondern Sachen aus und rein! Mit lauten Schreien rannten wir ins
Meer. Als das eisige Wasser mich umschloss, sagte alles in meinem Körper nur:
Nichts wie raus hier. SOFORT! 1000 Nadelstiche durchbohrten meinen Körper. Ich
fühlte mich unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Jegliches Gefühl
wich aus meinen Zehen, so als wären sie in dem Moment abgefallen. Die draußen
Wartenden hatten sicher mehr Spaß bei den verzerrten Gesichtern… :)
Tag 4
Windstille. Ein gutes Zeichen für unsere bevorstehende Paddel-Tour. Die aus der weißen Landschaft rot hervorstechenden Kayaks schwebten
förmlich über das ruhige Wasser. Eisgletscher brachen in das Meer und elegant
durch das Wasser springende Pinguine kreuzten unseren Weg. Vorbei an großen
blauen Eisbergen schlängelten wir uns zwischen treibenden Eisschollen hindurch.
Dumpfe Geräusche ertönten, wenn das harte Eis an den Kayaks entlang schabte.
Robben auf einer großen Eisscholle streckten ihre Köpfe hinauf als sie uns
entdeckten. Mehr und mehr zog sich der Himmel zu und die See wurde rauer. Höchste
Zeit zurück zum Schiff zu kommen…
Nicht die besten Wetterbedingungen für unsere geplante
Camping-Nacht unter freiem Himmel. Immer dickere Schneeflocken fielen herab als
wir an der tief verschneiten kleinen Insel 'Leith Cove' anlegten. Mit großen
Säcken voller Ausrüstung schlugen wir unser Camp auf der Insel auf. Kein Zelt!
Mit Schaufeln hoben wir Schneelöcher als Schlafplätze aus, welche uns als
Windschutz dienen sollten. In zahlreiche dicke Schlafsäcke gepackt lauschte ich
in die Umgebung. Völlige Stille. Nichts war zu hören. Nur der Klang von
fallendem Schnee. Es war bereits nach Mitternacht und noch immer so hell als
wäre es gerade Dämmerung. Das war einfach alles viel zu unglaublich. Ich campte
unter freien Himmel in einem Eisloch umgeben von Gletschern, Pinguinen und
Robben in der Antarktis. Was soll man dazu sagen? Worte reichen hierfür kaum.
Tag 5
Heute setzten wir unseren Fuß auf historischen Boden. Wir
besuchten 'Port Lockroy', eine alte britische Forschungsstation, die nun Museum
und Postamt ist. Man kann doch tatsächlich Postkarten aus der Antarktis
verschicken. Ich bin gespannt, ob und wann die ankommen. Ein offizieller
Antarktis-Stempel durfte im Reisepass natürlich auch nicht fehlen. Die Einnahmen
aus einem kleinen Souvenirladen finanzieren die Erhaltung dieses Ortes.
Tag 6
Zerfallene Häuser, alte Schifferboote, rostige Überreste von
Fabrikanlagen und hinter einer Hütte liegende schneebedeckte Gräber… Wer diese
Menschen wohl waren? Ich fühlte mich wie im Film als ich an dem verlassenen
Ufer auf 'Deception Island' entlanglief. Noch heute sind auf dieser aktiven
Vulkaninsel die Überreste einer alten Wal-Fang-Station sowie einer
britisch-antarktischen Forschungsbasis zu sehen. Stück für Stück erschlossen
wir mit den Guides die höheren Regionen der Insel. Ein Schneesturm zog auf und fegte
über das verschneite, schwarze Vulkangestein hinweg. Auf dieser letzten
Wanderung wurden wir also nochmal mit richtigem antarktischem Wetter
verabschiedet.
Für mich hätte diese Expedition nicht schöner sein können –
gerade weil jedes Abenteuer so unvorhergesehen war. Die Crew hat stets
flexibel auf jegliche Wetterbedingungen reagiert und aus jeder Situation das
Beste gemacht. Ich durfte wunderbare Menschen aus aller Welt kennenlernen. Und
so unterschiedlich die Gruppe von der Herkunft, dem Alter und den Interessen
auch war, sind auf diesem kleinen Expeditionsschiff wohl so einige
Freundschaften fürs Leben entstanden.
Der Abschied fiel diesmal besonders schwer, da es auch ein
Abschied meiner Weltreisezeit ist. Ich bin glücklich und dankbar all das erlebt
haben zu dürfen. Nun steht der letzte Flug nach Mailand an, von wo es über Land
zurück nach Hause geht.
Wow Sarah, ich bin beeindruckt und freue mich unglaublich für dich! Du inspirierst mich und wer weiß, vielleicht schaffe ich es eines Tages auch mal dort hin. Liebe Grüße aus der Wüste Perus!
AntwortenLöschenUnglaublich! Einfach unglaublich! Der absolute Wahnsinn. Ich weiß nicht was ich sagen soll außer WOW!!!!
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