Mittwoch, 30. Mai 2018

Die Luft wird dünn… Trekken im Himalaya mit Sicht auf 8848 m


Ohne Strom, ohne warme Dusche und fernab jeglicher Anbindung trekkte ich mit 12 kg auf dem Rücken die letzten Wochen durch das Himalaya-Gebirge. Auf dem Weg traf ich wunderbare Menschen aus Chicago mit dem Ziel auf den Berg Gokyo Ri auf 5360 m zu steigen, welchen ich mich anschloss. Weder das Verlorengehen noch das Abstürzen schreckten mich ab, sondern vielmehr die Höhenkrankheit, die bereits ab 2500 m auftreten und zu Lungenödemen, Hirnödemen bis hin zum Tod führen kann. Auf den zu erreichenden 5360 m gibt es nur noch halb so viel Sauerstoff wie auf Meereshöhe, wodurch das Risiko mit jedem Meter steigt.


Bereits der Flug in das Himalaya-Gebirge war ein Abenteuer. Aufgrund der Berge, des Wetters und der kurzen Landebahn zählt der Flughafen in Lukla zu den gefährlichsten der Welt und forderte bereits mehrere Todesopfer. Alle hier landenden Fluggesellschaften stehen auf der Schwarzen Liste der EU. Andere (sicherere) Möglichkeiten bleiben jedoch nicht, wenn man einmal vor dem Mount Everest stehen möchte. Doch diese Wanderung war jedes Risiko wert und so schön - dafür reichen Worte nicht. 10 Tage führte der Weg mitten durch die Natur entlang atemberaubenden Schluchten, steilen Berghängen, hellblauen Flüssen, gletscherartigen Felsen, kleinen nepalesischen Dörfern und schneebedeckten Gebirgsketten. Bunte Gebetsflaggen zieren die Wege, Dörfer und Bergspitzen und verschönern die ohnehin beeindruckende Gegend. Teilweise ist es auf dem Weg so ruhig, dass man nur den Wind, die eigenen Schritte und hin und wieder ein Vogelgezwitscher oder das Rauschen des Flusses hört. Es gibt keine Straße, keine Fahrzeuge, keine Anbindung. Alles wird zwischen den Dörfern über Esel, Yaks oder Porter transportiert, wobei die Träger teilweise über 100 kg auf ihrem Rücken den Berg hochtragen. Nach den täglichen 6 bis 8 Stunden Fußmarsch übernachteten wir in Teehäusern – eine Art einfache Herberge.

  
 
 

Die Gegend um Gokyo war unfassbar schön und erinnerte aufgrund der kargen und doch so farbenfrohen kontrastreichen Landschaft fast an einen anderen Planeten. Schwarz-weiße mit grünem Moos bedeckte Steine, türkisblaue Seen sowie riesige schneebedeckte Gebirgsketten umrahmten den Weg. Der finale Aufstieg auf den Berg Gokyo Ri in 5360 m Höhe stand bevor. Die Schritte wurden schwerer, die Luft dünner – egal wie viel man atmete, es schien kaum noch Sauerstoff im Körper anzukommen. Doch dieser Augenblick, in dem man die Spitze erreicht und rundum auf die weißen Bergriesen, Gletscher und Seen blickt, lässt einen alles vergessen und ist mit keinen Worten zu beschreiben. Und da sah ich ihn - den Mount Everest. 8848 Meter – die Spitze der Welt – und ich stehe davor. Das war einer der unglaublichsten Momente in meinem Leben.

 
 
 
 
 

Unvorhergesehen verlängerte sich meine Wanderung noch um einige Tage, da aufgrund des schlechten Wetters keine Flüge starten durften. So lief ich abseits der üblichen Touristenwege mehrere Tage quer durch das Himalaya-Gebirge, um die nächste Straße und damit meinen Weiterflug nach Bangkok rechtzeitig zu erreichen. Dank dieser Umstände erlebte ich Nepal noch einmal von einer ganz anderen einzigartigen Seite – der passende Abschluss für diese zwei abenteuerlichen und prägenden Monate in diesem beeindruckenden Land. Nepal strahlt so eine tiefe Zufriedenheit, Gelassenheit und Ruhe aus, wie ich es bislang an keinem anderen Ort erlebt habe.

Montag, 14. Mai 2018

Lumbini: Eine Woche Stille am Geburtsort von Buddha


7 Tage keine Musik, kein Buch, kein Internet oder sonstige Luxusgegenstände – dafür täglich 7 Stunden Meditation, in denen ich allein mit mir selbst war. Es heißt „Wenn der Körper zur Ruhe kommt, kann auch der Geist zur Ruhe kommen.“ KANN! Die Vipassana-Meditation war eine der herausforderndsten und bereicherndsten Erfahrungen, die ich bislang gemacht habe. Aber vorerst ein Schritt zurück zu Lumbini – dem Geburtsort von Buddha… 

Nur mit Busticket und ohne sonstige Vorbereitung setzte ich meine Reise allein nach Lumbini fort. Lumbini liegt an der Grenze zu Indien, wobei bereits auf dem Weg dahin immer wärmere Luft in den Bus strömte. Bis zu 40 Grad im Schatten können die Temperaturen hier betragen. So vielfältig die Kultur des Landes ist, so unterschiedlich ist auch das Klima, wenn man an die Minusgrade im Himalaya denkt. Lumbini hat eine beeindruckende Architektur – eine 10 km² große parkähnliche symmetrische Anlage, die Klöster aus der ganzen Welt beherbergt und in deren Zentrum sich der Maya-Devi-Tempel befindet. An diesem Ort wurde Buddha im Jahr 563 vor Christus geboren, welcher für mich trotz der Touristen eine tiefe Ruhe ausstrahlte. Touristen aus westlicheren Ländern zu begegnen war eher eine Seltenheit, weshalb ich oft zum Foto-Objekt wurde. Es ist ganz ungewohnt für mich einen Kopf größer als andere Menschen zu sein…
 
Maya-Devi-Tempel: Buddhas Geburtsort

Untergekommen bin ich im Goutami Nun’s Tempel und lebte mit buddhistischen Mönchen, Nonnen sowie Klosterschülerinnen zusammen, die dem Theravada-Buddhismus (der ältesten noch existierenden Form des Buddhismus) angehören. Mich fragen die Menschen oft, wie ich zu solchen Gelegenheiten komme. Das frage ich mich auch. Ohne Pläne und mit einem Lächeln auf den Lippen ergeben sich einfach die schönsten Gegebenheiten. Tagsüber meditierte ich in einem Vipassana-Meditationszentrum. Vipassana („Einsicht“) als eine der ältesten Meditationsformen geht auf die Lehren von Buddha zurück und bedeutet, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. In der Meditation sollte man versuchen, mit seinem ganzen Sein in der Gegenwart zu bleiben, wobei die Wahrnehmung des Atems im Zentrum steht. Aufkommende Empfindungen, Gefühle und Gedanken werden zur Kenntnis genommen und deren Verlauf beobachtet ohne sie in irgendeiner Weise zu bewerten. Was einfach klingt, war um vieles schwieriger als gedacht. Die ersten Tage hatte ich eigentlich nur mit Schmerzen und eingeschlafenen Beinen vom stundenlangen Stillsitzen sowie tausenden herumschwirrenden Gedanken zu tun. Und immer wieder tauchte die Frage in meinem Kopf auf: Warum tue ich mir das an? Nach drei Tagen gewöhnte sich nicht nur mein Körper an das lange Sitzen, sondern auch mein Geist an die Stille. Die Gedankenflut lichtete sich allmählich und lies meine Sicht auf Dinge klarer werden. So anstrengend diese Erfahrung auch war, denke ich einige wertvolle Erkenntnisse für mich mitgenommen zu haben. Ich glaube, es hat mir Wege eröffnet, viele Dinge entspannter zu betrachten, meine Sinne und mein Sein bewusster wahrzunehmen, in tieferen Einklang mit mir zu kommen und Gegebenheiten erst einmal zu beobachten und nicht gleich zu bewerten. 


 
 
 

Ein Mönch sagte zu mir: „Alles beginnt im Bewusstsein. So wie wir den Körper pflegen und nähren, müssen wir uns auch um den Geist kümmern. Denken wir gut, handeln wir auch gut und bekommen gute Dinge zurück.“

Dienstag, 1. Mai 2018

Hidden Paradise – Bandipur


Versteckt in den Bergen, nicht weit von Pokhara entfernt, lernten zwei weitere Reisende und ich einen kleinen Ort namens Bandipur für einige Tage besser kennen. Bereits der Hinweg war ein Abenteuer, da wir anstelle der Touristenbusse mit den übervollen Bussen der Einheimischen unterwegs waren und den Weg dahin mit Händen und Füßen erfragten. Ein wenig mulmig wird es einem schon, wenn die Busse vorbei an steilen Felshängen und Klippen die sehr holprigen Serpentinen hupend und mit einem rasanten Tempo entlangrauschen und entgegenkommenden Fahrzeugen rasch auszuweichen versuchen. Weit oben in den Bergen gelegen und von vielen Farmen umrahmt bietet Bandipur bei klarer Sicht einen schönen Blick auf die schneebedeckten Bergspitzen des Himalayas. Das Bergstädtchen ist sowohl vom Erdbeben als auch vom Tourismus weitestgehend verschont geblieben. Eine nur ca. 300 m lange Hauptstraße mit sehr alten, schmalen Häusern aus roten Ziegelsteinen bildet das Zentrum. Weder Autos noch Motorräder stören dieses mittelalterlich aussehende Stadtbild. Sich entlang der Hänge ziehend, strahlt der kleine Ort viel Ruhe und Frieden aus und gibt einen unmittelbaren Eindruck von dem Leben der Einheimischen. Frauen tragen mittels eines Kopfbandes schwere Körbe u.a. mit Schutt auf dem Rücken, in den Seitengassen liegt Wäsche zum Trocken aus, Kinder spielen barfuß auf den Straßen mit alten Reifen und Bällen und die Menschen bauen an Häusern, wobei viele begonnene Bauten nie fertig zu werden scheinen. Teilweise wirkt Bandipur fast wie eine Geisterstadt. Es gibt viele leerstehende Häuser und nur wenige Einheimische. Wie man uns sagte, fehle es an „Manpower“. Es gibt scheinbar zu wenig Menschen, um eine gute Infrastruktur aufzubauen.

 
 
 

In der Nähe des Ortes befindet sich auch die angeblich größte Höhle Nepals, die Siddah Gufa. Diese besichtigten wir mehr oder weniger spontan und unvorbereitet nachdem wir eine Stunde entlang eines schmalen Pfades durch einen dichten Wald gewandert sind. Mit den wohl unpassendsten Sachen und ohne Stirnlampe betraten wir die stockfinstere Höhle, die man nur über sporadisch befestigte Leitern und an Seilen kletternd anschauen konnte. Vielleicht nicht die beste Idee, aber ein Abenteuer war es allemal. 
 

Zurück in Pokhara verbrachte ich die folgenden Tage ohne jegliche Pläne bzw. wurde aus Plan A oder B dann meist Plan C: die Hängematte. Ich ließ mich vom Trubel der Stadt und spontanen Gegebenheiten treiben, traf Freunde, paddelte, wanderte ein wenig und sah mir vor meiner Abreise Pokhara ein letztes Mal aus der Luft an. 
 
 
 
 
 
 
Das Schönste an einem längeren Aufenthalt in einem Ort ist, dass man mehr und mehr bekannte Gesichter trifft und sich trotz der großen Entfernung von der Heimat ein wenig wie zu Hause fühlt. Nun reise ich weiter nach Lumbini, welcher (der Überlieferung nach) der Geburtsort von Buddha ist.