Sonntag, 23. September 2018

No habla español – Abenteuer Chile mit Hindernissen


Ich wusste weder wo noch wann ich war während meiner 32-stündigen Weiterreise von Las Vegas nach Chile mit mehreren Zwischenstopps. Das war die wohl längste und anstrengendste Verbindung überhaupt. Trotz der Zeitverschiebung von nur 4 Stunden hatte ich für die nächste Woche den schlimmsten Jetlag meines Lebens. Wenn man dann noch völlig fertig ohne Spanischkenntnisse den Weg zum nächsten Hostel ausfindig machen muss, wenn selbst die Flughafenangestellten kein Wort Englisch verstehen, überlegt man sich doch das nächste Mal vorher einen Spanisch-Kurs zu belegen und ein paar Euro mehr für das Ticket auszugeben. Dennoch: Es gibt schlimmeres als einen 10-stündigen Aufenthalt am Strand von Miami. 😉

Die Sonne ging gerade hinter den Anden auf als ich in der Hauptstadt Santiago de Chile ankam – ein schöner Anblick, der mich meinen Zustand vergessen ließ. Die nächsten Wochen machte ich recht wenig. Ich brauchte eine Pause vom Planen und Erleben. Hierfür hätte ich keine bessere Bleibe finden können. Mit einer tollen Gruppe von Leuten aus dem Hostel lebte ich in den Tag und genoss das Flair der Stadt, das Essen, die Musik, die Kunst und das Nachtleben. Das machte es mir einfacher, mich wieder auf ein fremdes Land mit einer ganz neuen Kultur einzulassen. Chile hatte ich mir anders vorgestellt – einfacher und weniger organisiert. Für Südamerika ist es fast ein wenig untypisch. Man fühlt sich sicher, die Straßen sind recht gepflegt und die Preise sind deutlich höher als in Peru, Bolivien oder Brasilien. Das Stadtbild Santiagos wirkt dagegen ein wenig in der Zeit hängen geblieben. Man sieht in die Jahre gekommenen Wolkenkratzer, Straßenmusikanten mit Gitarre und Mundharmonika sowie zahlreiche kunstvoll gestaltete Gebäude.

Von den Hügeln der Stadt hat man eine wunderbare Sicht auf die nicht weit entfernten schneebedeckten Andengipfel. In einem vollgestopften Mietwagen mit Alleinreisenden aus aller Welt, wie Australien, den USA, Italien, der Niederlande und Deutschland ging es auf Roadtrip in den Cajón del Maipo, eine atemberaubende Schlucht in den Anden. Stundenlang fuhren wir auf der sich durch das Tal schlängelnden Straße umgeben von in den Himmel ragenden dunklen Gebirgsketten, grauen steinigen Felshängen, Gletschern und Schneelawinen. Der steile Abgrund neben der Straße beunruhigte mich ungemein. Wir picknickten an einem wundervollen Fleckchen Erde mit traumhaften See- und Bergpanorama im Hintergrund. Das Wasser des Sees war eisig und ein kalter Wind zog durch das Tal. Wie ruhig es hier oben war. Kein einziger Mensch. Nur das Rauschen des Windes war zu hören. Mitten im Gebirge badeten wir zum Abschluss in heißen Quellen. Im heißen Wasser sitzend beobachteten wir den Sonnenuntergang, der den Himmel hinter den hohen Bergen in den schönsten Farben erstrahlen ließ.
 
 
Mit Fernbussen ging es weiter Richtung Norden von Chile. Unterwegs begegnete ich öfters dem ein oder anderen bekannten Gesicht aus dem ersten Hostel. Ich blieb ein wenig Valparaiso, einer bunten direkt am Hafen gelegenen Stadt. Viel zu sehen gibt es nicht, es ist eher das Gefühl, das Valparaiso ausmacht, wenn man durch die schmalen Gassen mit den alten hohen Häusern, kleinen Cafés und steilen Treppen schlendert. Nahezu jedes Haus ist mit faszinierenden Wandmalereien gestaltet. 
 
Ein nächster Halt auf dem Weg in den Norden war Elqui Valley. Es erinnerte an einen Ort in der Wüste umgeben von kargen hohen Hügeln. Ich fühlte mich mitten im Nirgendwo ausgesetzt. Zwischen Bergen gelegene kleine alte Orte mit gepflasterten Straßen und ein paar Steinhäusern prägen das Bild. Das Tal ist bekannt für seine Pisco-Herstellung und einen der klarsten Sternenhimmel der Welt. Daher durften Verkostung und Sternenbeobachtung nicht fehlen. Nur das Spanisch wurde für mich hier besonders zur Herausforderung. Mit einer chilenischen Familie war ich in einer kleinen runden Steinhütte untergebracht. Die Familie war sehr herzlich und willkommen heißend. Wir verständigten uns in einem Mix aus Spanisch, Englisch, Deutsch, aber vor allem mit Händen und Füßen. Gerade weil wir die Sprache des anderen nicht verstanden und wir uns daher Zeit füreinander nahmen den anderen zu verstehen, hat uns das mehr verbunden als manch ein Smalltalk mit gleichsprachigen Reisenden. Manchmal braucht man auch gar keine Worte um sich zu verständigen. Ein Lächeln ist oft der kürzeste Weg. 


Freitag, 7. September 2018

Sein und Schein – Kontrastprogramm Amerika



Die Reise von Hawaii auf das Festland der USA begann (im wahrsten Sinne des Wortes) turbulent. Hurrikan ‚Lane‘ steuerte direkt auf Hawaii zu als ich noch am Waikiki Beach in Honolulu saß. Unter den Menschen war Unruhe zu spüren. Viele Sicherheitsmaßnahmen wurden eingeleitet für den Fall, dass alle Versorgungslinien abbrechen. Man sollte einen Vorrat für 2 Wochen anlegen, Fenster mit Holzbrettern sichern, Generatoren organisieren, sich für eine mögliche Evakuierung vorbereiten usw. Die Nachricht am Flughafen traf mich wie ein Schlag: „Ihr Flug nach San Francisco wurde gecancelt.“ Ich wurde im Hotel untergebracht und organisierte mir Verpflegung. Die Geschäfte waren überfüllt mit Menschen. 16.00 Uhr am Tag des angekündigten Hurrikans starteten die Sirenen. Die Straßen waren wie leer gefegt. Ich schloss die Vorhänge und versuchte zu entspannen. Ein schwerer Sturm kam in dieser Nacht zum Glück nicht auf. Am nächsten Morgen hatte ich Glück meine Reise nach San Francisco fortsetzen zu können.

Die Tage in San Francisco musste ich mich erstmal von dem Schreck erholen. So ganz schien die USA nicht mein Ort zu sein, da ich anfangs nur die Schattenseiten dieses Landes sehen konnte: Die Schere zwischen Arm und Reich geht weit auseinander. Nirgendwo anders habe ich so viele Menschen ohne Obdach auf der einen Seite und so eine große Verschwendung auf der anderen Seite gesehen. In den Hostels gibt es Einweggeschirr, es werden Unmengen an Lebensmitteln weggeworfen, alles ist extrem teuer und die Ernährung beschränkt sich meist auf Fast Food. Der Umgang mit den Mitmenschen und der Umwelt wirkte auf mich so unachtsam – nach dem Motto ‚Jeder ist sich selbst der Nächste‘.

Nach und nach sah ich natürlich auch die schönen Seiten dieses Landes. Ich mochte z.B. das ganz besondere Flair von San Francisco. Wolkenkratzer ziehen sich über die Hügel der Stadt und viele Kunstwerke in allen Formen und Farben machen die Straßen unverwechselbar. Ein ganz besonderes Viertel ist Haight-Ashbury, welches durch die Hippie-Bewegung in den 1960er Jahren und dem „Summer of Love 1967“ bekannt wurde. Tausende junge Menschen versammelten sich damals hier auf der Suche nach Liebe, Frieden und einem Leben ohne Konventionen. Auch wenn von dem Lebensgefühl nicht mehr allzu viel übrig geblieben ist, ist es wohl das bunteste Viertel von ganz San Francisco.
 
  

Ein weiteres Highlight war für mich einmal über die knapp 3 km lange und über 200 m hohe Golden Gate Bridge laufen zu dürfen. Der Blick nach oben auf die roten in den Himmel ragenden Stahlseile sowie die Skyline von San Francisco war beeindruckend. Von hier aus sah man auch die Gefängnisinsel Alkatraz, die ich ebenso besuchte. Von 1934 bis 1963 war es das berüchtigtste Hochsicherheitsgefängnis der USA. Die Tour über die Insel – entlang der verfallenen Gebäude und mehrstöckigen Gefängniszellen – war unglaublich interessant und versetzte einen in eine ganz andere Zeit.
 
 
 

Weiter mit dem Flugzeug nach Las Vegas reisend, landete ich in einer völlig anderen Welt. Es war wie ein riesiger Rummelplatz (für Erwachsene 😄) mitten in der Wüste bei 40 Grad im Schatten. Bereits am Flughafen standen überall Spielautomaten. Der Kern von Las Vegas ist der 6,8 km lange Strip mit unzähligen Luxushotels und Casinos. Jeder Abschnitt hat ein eigenes Themengebiet. So findet man die Freiheitsstatue aus New York, den Eiffelturm aus Paris oder die Sphinx aus dem alten Ägypten wieder. Jedes Hotel ist eine kleine Welt für sich – mit Spieleautomaten, unzähligen Poker- und Roulette-Tischen, Bars und Geschäften. Hier pulsieren das Leben und der Luxus. Wirklich jeder erlebt hier sein Abenteuer. Da mich eine Mitarbeiterin aus dem Hostel mit auf ihre Gästeliste setzte, erlebte ich die wohl verrücktesten Partynächte meines Lebens. So landete ich einen Abend auf Snoop Doggs Pool-Party. Das hätte ich mal nicht für möglich gehalten. 😊
 
 
 
Der Road-Trip zum Grand Canyon mit drei weiteren Leuten toppte jedoch alles. Mit dem Kofferraum voller Verpflegung fuhren wir vier Tage u.a. über die Route 66 und übernachteten im Auto, wo es gerade passte. Kilometerweit führten lange Straßen gerade aus. Weit und breit war nichts bis auf karge Landschaft und flache rote Berge am Horizont. Der Grand Canyon war riesig – wie ein Meer von kleinen und großen rot-braunen flachen Felsbergen mit abfallenden Gesteinshängen. Einer der schönsten Orte war für mich der Horseshoe Bend, eine gewundene Schlucht, welche vom dunkelblauen Colorado River durchzogen und von grünen Sträuchern und steilen Felswänden umrahmt war. Wie klein man sich fühlt, auf den Felsen stehend und in das Tal hinabblickend. Ein letzter Halt war der Antelope Canyon, ein langer gewundener Felsspalt, dessen Wände durch das einfallende Licht in leuchtendem Orange und Rot erstrahlten. Wie Wellen wanden sich die Wände in- und umeinander. Alles war miteinander verschlungen und wirkte in perfekter Harmonie. Ich war völlig überwältigt von diesen Naturgewalten. So riesig hätte ich mir die Gegend nie erträumt. 
 
 

Nun geht es weiter nach Chile. Dort endet meine Planung vorerst. Mal sehen, was die letzten Monate meiner Reise bereithalten.